Die grünen Titel sind Inhaltsangaben und keine Links zu den Themen auf dieser Seite.
1. PPP 64 Ein Abend mit Eric Rohmer (1) 29.1.2010
2. PPP 66 Ein Abend mit Eric Rohmer (2) 26.3.2010
3. PPP 65 Rike Felka - Unica Zürns Anagramme und Zeichnungen 12.2.2010
4. PPP 66 Elke Bippus - Zeichnen und Schreiben als forschende Praktiken 23.4.2010
5. PPP 67 Jürgen Link - Wo eigentlich liegt das Feld der Künste? 7.5.2010
6. PPP 68 Angelika Janz - Fragment als Haltung 4.6.2010
7. PPP 69 Florian Neuner - Das Ruhrgebiet als Text 16.7.2010
8. PPP 70 Anna Zika - Von Mädchen und Müttern 24.9. 2010
9. PPP 71 Gabriele Voss - Montage - meine schöne Sorge 19.11.2010
10. Potentiale: Installation Candia Neumann: "Eingedeckt" 16.12. bis 19.12.2010
PPP: >>2009 / >>2010 / >>2011 / >>2012 / >>2013 / >>2014
Atelierhaus Extern: >>2007-2009 / >>2010 / >>2011 / >>2012 / >>2013 / >>2014
Diskussion mit anschließender Filmvorführung. Gezeigt wurde Vollmondnächte von 1984.
Anlass der Veranstaltung war der Tod Eric Rohmers am 11. Januar 2010.
zum Film:
Die junge Frau Louise ist zu ihrem Freund Rémi an den Stadtrand von Paris gezogen. Ihre eigene Wohnung im Zentrum von Paris hat sie vermietet. Das eintönige Leben am Stadtrand ist für sie jedoch sehr gewöhnungsbedürftig. Sie langweilt sich und vermisst ihre Freunde in Paris. Besonders fehlt ihr der Schriftsteller und Ratgeber Octave. Obwohl sie Rémi liebt, trennt sie sich von ihm und kehrt in ihre alte Wohnung zurück. Die räumliche Trennung von Rémi schürt jedoch weitere Zweifel bei Louise. Sie hat ihn im Verdacht sich mit ihrer Freundin Camille zu treffen. Aber auch Louise ist sich ihrer Gefühle nicht mehr sicher, als sie den Musiker Bastien kennenlernt. Als sie sich entschließt doch zu Rémi zurückzukehren, muss sie jedoch feststellen, dass dieser mit Marianne zusammenleben möchte. Marianne ist die Mitbewohnerin von Camille. Die Trennung ist nun endgültig.
Der Film nahm 1984 am Wettbewerb der Internationalen Filmfestspielen von Venedig teil. Hauptdarstellerin Pascale Ogier wurde mit dem Preis der besten Schauspielerin ausgezeichnet. 1985 wurde der Film für fünf César nominiert.
Quelle: Wikipedia
Film-Vortrag von Rainer Vowe
Manche schätzen seine Filme, einige haben sie gemieden, aber allzu viele sind es nicht, die sie kennen. Anfang des Jahres gestorben ist Éric Rohmer derjenige Filmemacher der Nouvelle Vague, der
auf eine durchkomponierte, sehr intensive Schönheit in Aufbau und Organisation eines Filmbildes, der sogenannten Mise-en-scène, gesetzt hat.
Dabei instruierte und konstruierte er jahrzehntelang Liebende wie/als politische Handelnde: sie haben unterschiedliche Interessen, Standpunkte, Überzeugungen und, wegen so mancher
Unvereinbarkeit, auch Geheimnisse. Die fast immer scheiternden Versuche, übereinzukommen, werden in endlosen Dialogen vorgeführt, man könnte auch sagen, in der uns vertrauten Eigendynamik
liebenswerter, bisweilen nervender, weil überbordender Rederei. Aber, im Unterschied zu vergleichbaren Konstellationen anderer Liebesfilme oder Melodramen, werden wir bei Rohmer weder Gewinner
und Verlierer oder gar Täter und Opfer besichtigen können. Vielmehr werden die Figuren aus Rohmers Universum, Männer wie Frauen, zu Eigensinnigen, zu Non-Konformisten, die sich den Riten der
Umgebung nicht anpassen wollen, auch wenn sie dabei riskieren zu scheitern oder sich zum Narren zu machen. Wer hier Spuren des Nachkriegsexistentialismus ausmacht, wird bei Rohmer sehr fündig.
Der Abend wird Ausschnitte aus einigen Rohmer-Filmen zeigen und mit Kommentaren versehen,
die dazu auffordern, das Gesehene zu überprüfen.
(Rainer Vowe)
Vortrag von Rike Felka
Die Aufzeichnungen der Berliner Schriftstellerin Unica Zürn aus den Jahren 1953-1970 sind versetzt mit geschriebenen Bildern, die verschlüsselt sind und zugleich einer selbstanalytischen Perspektive folgen. "Bildervorgänge", die in ihrer spätsurrealistischen Spezifik bestimmt werden sollen, hat sie im Kontext ihrer Prosa und ihrer Anagrammgedichte erprobt und ausgelotet. Gleichzeitig hat Unica Zürn gezeichnet. Der Vortrag widmete sich der Übergangsstelle und dem Zusammenspiel zwischen den geschriebenen Bildern und den Zeichnungen.
" Mit dem auftauchenden Mond wird das Zimmer zum Garten: Die Wände verschwinden oder bestehen nur noch aus dem Schatten von Blättern und Zweigen."
(Unica Zürn)
Unica Zürn (* 1916 in Berlin-Grunewald; †1970 in Paris)
Schriftstellerin und bildende Künstlerin
Im Umfeld des Surrealismus produzierte Unica Zürn Texte und Bilder, in denen das Bedürfnis nach starken, mit Lebensintensität besetzten Vorstellungen spürbar wird. Ihr literarisches Werk besteht
zum einen aus autobiografisch geprägter Prosa, zum anderen aus poetischen Texten, von denen ihre Anagramm-Gedichte am bekanntesten sind. Ihre Arbeiten in Alben, Heften und übermalten Partituren
sind der umfangreichste Teil ihres bildnerischen Werkes. Für ihre Arbeit wie auch ihr Leben war das Wechselspiel mit der künstlerischen Praxis Hans Bellmers, das Zusammenleben mit ihm, aber auch
die Wahlverwandtschaft mit Henri Michaux von großer Bedeutung. Sie hat allerdings nie versucht ihre Fremdheit, ihre Singularität, ihre Distanz zu sich und ihrem Leben zu vertuschen. Am 19.
Oktober 1970 beging sie Selbstmord durch einen Sprung aus dem Fenster der Wohnung Hans Bellmers.
Dr. habil. Rike Felka, Literaturwissenschaftlerin, Übersetzerin (Berlin).
Lehrtätigkeit im In- und Ausland. Schwerpunkt: Französische Texttheorie und Bildwissenschaft.
Publikationen u.a.: Psychische Schrift. Freud, Derrida, Celan. (Wien 1990); Indiasongkomplex. Zu Marguerite Duras. (Berlin 1994). Vorläufig Beiseitegelegtes. Studien zu Nachlasstexten. (Berlin
2000). Geschriebener Raum (Berlin 2009). Zahlreiche Aufsätze zu Unica Zürn, zuletzt: Die träumende Hand, in: Unica Zürn, Alben, Berlin 2009.
Vortrag von Elke Bippus
In den Feldern der Bildenden Kunst wurde die Dichotomie von Bild und Text nachhaltig dekonstruiert. Die Rede von der bildhaften Schrift oder den Texturen des Bildes geht leicht über die Lippen,
auch lassen sich zahlreiche Beispiele als Beleg finden: Im Dadaismus oder in der konkreten Poesie gewann Schrift einen gleichsam hieroglyphischen Charakter, Cy Twombly ließ das Skripturale der
Malerei hervortreten, Ed Ruscha und John Baldessari nutzten den Bildträger als Ort linguistischer Statements und die Gruppe Art & Language präsentierte Texte nicht als Abhandlungen über
Kunst, sondern als Exponate.
Wissenschaftshistorische Untersuchungen, welche die konstitutive Bedeutung primärer Aufzeichnungsformen in ihrer materiellen Verfasstheit für den Forschungsprozess in den Mittelpunkt stellen und
künstlerische Forschung als epistemische Praxis untersuchen, fordern in jüngster Zeit zu einer Neuperspektivierung des Verhältnisses von Bild und Text, oder besser von visuellen und diskursiven
Verfahrensweisen des Zeichnens und Schreibens auf. Der Vortrag stellt Zeichnen und Schreiben als performative Handlungen, die sich in doppelter Weise auszeichnen, vor.
Dabei werden insbesondere die Effekte der doppelten Struktur von ereignishafter Verkörperung einerseits und Wiederholung von Normen und Regeln andererseits in künstlerischem und wissenschaftlichem „Gekritzel“ herausgestellt.
Dr. Elke Bippus ist Professorin für Kunstphilosophie und Kunstgeschichte an der Zürcher Hochschule der Künste und Mitarbeiterin des Instituts für Theorie der ZHd.
Forschungsschwerpunkte:
Kunst der Moderne und Gegenwart, Bild-und Repräsentationstheorien, künstlerische
Produktions-und Verfahrensweisen, Schnittstellen zwischen Kunst und Wissenschaft,
Kunst als epistemische Praxis, Ästhetik und Politik.
http://people.zhdk.ch/elke.bippus
(13 Bilder)
Veröffentlichungen von Elke Bippus:
Elke Bippus (Hg.): Kunst des Forschens. Praxis eines ästhetischen Denkens, Zürich, Berlin [diaphanes] 2009;
Elke Bippus, Michael Glasmeier (Hg.): Künstler in der Lehre. Texte von Ad Reinhardt bis Ulrike Grossarth. (Fundus-Bücher; 151) Hamburg [Philo & Philo Fine Arts | EVA Europäische
Verlagsanstalt]
2007
Elke Bippus, Ortrud Westheider: Hanne Darboven. Kommentiertes Werkverzeichnis der Bücher. Köln [Verlag der Buchhandlung Walther König] 2002
Skizzen und Gekritzel. Relationen zwischen Denken und Handeln in Kunst und Wissenschaft. In: Martina Heßler, Dieter Mersch (Hg.): Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft.
Bielefeld [transcript] 2009, S. 76–93
Die Wirklichkeit der Darstellung. Das Ready-made als Strategie kontextueller Verkettungen und ästhetischer Affektion. In: Alexandra Kleihues (Hg.): Realitätseffekte. Ästhetische Repräsentationen
des Alltäglichen im 20. Jahrhundert. München [Fink Verlag] 2008, S. 47–68
Die documenta 8 – Versuch eines kritischen Diskurses. Documenta 8. Toward Critical Discourse. In: Glasmeier, Michael (Hg.): Archive in motion. 50 Jahre documenta / 50 Years documenta
1955–2000.
Göttingen [Steidl] 2005, S. 317–324
Überlegungen zu ihrer diskursiven Verortung
im Dreieck Bourdieu – Luhmann – Foucault
Vortrag von Jürgen Link am 7.5.2010
Bilden die bildenden und schreibenden Künste, wie Niklas Luhmann meint, ein eigenes autopoietisches, "funktional ausdifferenziertes" gesellschaftliches Teilsystem, sozusagen auf Augenhöhe mit Wirtschaft, Recht, Wissenschaft, Religion und Politik? Oder bricht das entsprechende "Feld", wie Pierre Bourdieu es nennt, unter den Antagonismen der Klassen ständig auseinander? Schließlich: Wie autopoietisch , wie funktional spezialisiert kann Kunst überhaupt sein? Müssen wir nicht, im Anschluss an Michel Foucault, erst einmal zwischen Spezialdiskursen und Interdiskursen unterscheiden? Sind die Künste – soweit sie überhaupt autopoietisch und ausdifferenziert sind – nicht paradoxerweise Spezialisten des Nicht-Speziellen?
(14 Bilder)
Kurzvita:
Dr. Jürgen Link, Professor (a.D.) für Literaturwissenschaft (und Diskurstheorie) an der Universität Dortmund. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind: struktural-funktionale Interdiskurstheorie; Kollektivsymbolik; Normalismustheorie; literarturhistorisch.: Lyrik; Hölderlin u. die ‚andere Klassik’; Brecht u. die ‚klass. Moderne’. Neueste Publikationen (Mithrsg.:) kultuRRevolution. zeitschrift für angewandte diskurstheorie, Essen (Klartext 1982ff.), Heft 55/56 (Denormalisierung; Foucault in der Fernsehwissenschaft); Versuch über den Normalismus, Opladen (Westdt. Verlag) 1996. 3. erw. Aufl. Göttingen (Vandenhoeck u. Ruprecht) 2006; Hölderlin-Rousseau: Inventive Rückkehr, Opladen (Westdt. Verlag) 1999; (Beitrag zur Primärliteratur:) Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee. Eine Vorerinnerung (Roman; assoverlag Oberhausen 2008).
Vortrag und Lesung von Angelika Janz 4.Juni 2010
Nach Lage der Dinge gibt es Verschiebungen,
Entgegengesetztes trifft sich in Ergänzung.
Verwandtes trennt sich vom Plan,
Parallel-Laufendes wächst zusammen.
Die Täuschung entlarvt, was Fehler benannt haben.
Ein Satz kräuselt sich bildhaft schön, ja,
ein Wort zur Lage ein paar mal gewendet,
ein Trümmer, ein Grund, ein Stück,
darauf baut sich die Regel, das Spiel.
1979
Das schreibt Angelika Janz, das Konzept ihrer "Veranstaltung", einer Text / Bild Montage, skizzierend.
Es wird um ihren Text "Fragment als Haltung" gehen, den sie - wie auch eine Auswahl ihrer Poems - lesen wird. Ihre Bilder, ihre visuelle Poesie werden als Großprojektion präsent sein. Und in
einem Gespräch wird die Autorin und Bildende Künstlerin darauf eingehen, wie und warum sie mehrperspektivisch, auch interdisziplinär arbeitet.
(aus dem Ankündigungstext, Atelierhaus Alte Schule)
Kurzvita: Angelika Janz ist als Autorin, Bildende Künstlerin und Kunstpädagogin tätig.
Die studierte Germanistin, Kunsthistorikerin und Philosophin war Gründungsmitglied der Jazzband TRILEMMA und mehr als 20 Jahre Mitarbeiterin am Museum Folkwang in Essen. In Essen hatte sie auch -
zwischen 1983 und 1993 - ein städtisches Atelier. 1993 siedelte sie von West nach Ost. (Mecklenburg-Vorpommern).
Hier organisierte sie Schreib- und Hörspielwerkstätten, baute Jugendclubs, Kultur- und Kunstwerkstätten auf dem Land auf und organisierte Kulturfestivals wie POLNISCHE WOCHE, TANZTENDENZEN und
das FESTIVAL NORDISCHER KLANG IN GREIFSWALD. 2005 gründete sie DIE KINDERAKADEMIE IM LÄNDLICHEN RAUM.
Angelika Janz zählt zu den wichtigsten Vertreterinnen der deutschen Visuellen Poesie.
Nicht nur der experimentelle Umgang mit der Literatur, auch die Verbindung von Wort und Bild durch Bildtextcollagen gehört zum Oeuvre der Künstlerin. Neben Einzelpublikationen ist sie mit
zahlreichen Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien vertreten. Darüber hinaus ist ihre Lyrik in die polnische Sprache übertragen worden. Ihre Gedichte, Hörspiele, Aktionen,
Performances und Ausstellungen sind mit einer Reihe von Preisen bedacht worden: u.a. erhielt sie 1981 - den nur einmal vergebenen Preis für Experimentelle Literatur der Stadt Düsseldorf. Sie
entwickelte 1979 den "FRAGMENTTEXT", der jetzt fester Lehrstoff am Greiswalder Germanistischen Institut ist.
2008 erhielt sie für ihr außerordentliches Engagement den DEUTSCHEN LOKALEN NACHHALTIGKEITSPREIS der DEUTSCHEN UMWELTHILFE in Leipzig.
(28 Bilder)
Literatur (Auswahl)
1991 Corridor, Fragmentgedichte, Verlag Scherrer & Schmidt, Köln; 1995 Ein interessantes Frühstück das im Trend zu liegen gehen lernt, Fragmentgedichte von
Deut zu Deutung, experimentelle Texte, Hrsg. von Karl Riha, Siegen;
1996 "Schräge Intention", edition ch, Hrsg. Franzobel, Wien; 2002 "orten vernähte alphabetien", Lyrik und Prosa, Verlag Wiecker Bote, Greifswald;
Anthologien u.a.: 2002 Anthologie Poetische Sprachspiele vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Hrsg. Klaus Peter Dencker, Reclam Stuttgart; 2006
Jahrbuch der Lyrik, S.Fischer-Verlag;
2009 "An Deutschland gedacht", Verlag Ralf Liebe, Weilerswist und "Versnetze" ebda.;
2010 Stimmenwechsel, Klartext Verlag Essen.
Seit 2006 Arbeit an einer Poetologie zum Fragmentgedicht
Links:
http://www.poetenladen.de/angelika-janz.html
http://www.fixpoetry.com/autoren/angelika_janz.html
http://www.fixpoetry.com/salon/angelika_janz.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Angelika_Janz
Florian Neuner stellte am 16. Juli 2010 sein Buch "Ruhrtext. Eine Revierlektüre" mit einer Fotoauswahl von Jörg Gruneberg im Atelierhaus Alte Schule vor.
Verlag Gruneberg
ca. 480 S., Euro 29,90
März 2010
ISBN 978-3-902665-17-1
Florian Neuner
Notiz
Die Formel zum Sturz der Welt haben wir nicht in Büchern gesucht, sondern auf Irrfahrten.
Guy Debord
Deutschlands größte Stadt ist gar keine Stadt, zumindest verwaltungstechnisch bildet sie keine Einheit. Der größte Ballungsraum des Landes mit seinen mehr als 5 Millionen Einwohnern hat je nach Betrachtungsweise viele Zentren oder keines. Auch seine Grenzen sind nicht klar definiert. Jedenfalls handelt es sich beim Ruhrgebiet um die exemplarische Stadtlandschaft der Moderne: zusammengewuchert nach den Maßgaben von Bergbau & Schwerindustrie, weitestgehend ohne städtebauliches Konzept – eine Stadt, die es vor der Industrialisierung nicht gab & die sich nach dem Ende des Industriezeitalters neu erfinden muß. Eine städteübergreifende Planung wurde nur zur Schadens- begrenzung & in Krisenzeiten angestrebt, vom Siedlungsverband Ruhrkohlen- bezirk, der die Ansiedlung der nach dem 1. Weltkrieg benötigten Arbeitskräfte in geordnete Bahnen lenken sollte bis zur Internationalen Bauausstellung Emscher Park in den neunziger Jahren, die Konzepte kreierte für Reparaturen an der geschundenen Landschaft.
Das Ruhrgebiet stellt sich heute dar als Patchwork aus alten Ortskernen, Industriebrachen, Arbeitersiedlungen, Verkehrsflächen. Die Grenzen zwischen den Städten verschwimmen dabei ebenso wie die zwischen Zentrum & Peripherie. Mit dem Erfahrungswert ›europäische Stadt‹ kommt man hier nicht weiter. Wenn ich mich in Stockholm, Köln oder Budapest von der Innenstadt aus in Richtung Stadtrand bewege, dann weiß ich im Prinzip, was mich erwartet: ein Altstadtkern (zerstört oder nicht), ein Gründerzeitgürtel, Wohnbauten des 20. Jahrhunderts, schließlich der sogenannte Speckgürtel. Im Ruhrgebiet weiß ich es nicht. Unversehens finde ich mich wieder im Zentrum der Nachbarstadt, in einer ländlichen Enklave, an einer Autobahnbrücke oder auf einem Zechengelände.
Diesem urbanen Flickenteppich an Ruhr & Emscher versuche ich mit den literarischen Mitteln einer Großcollage nachzuspüren, deren Gefüge sich natürlich erst in der Spannung mehrerer Abschnitte richtig erschließt. Grob unterscheiden lassen sich Passagen, die als historische Tiefenbohrungen angelegt sind & die Texte & Überlieferungen unterschiedlichster Provenienz mobilisieren & montieren, um in diese Räume »einzudringen«, von Abschnitten, über denen auch das Zitat von Ilse Aichinger stehen könnte, das ich meinem Buch China Daily vorangestellt habe: »Die Oberflächen sind wichtig.« Bei diesen mit »Dérive« überschriebenen Passagen, die damit auf die urbanistischen Theorien der Situationisten anspielen, handelt es sich um Bewegungen im Hier & Jetzt des Stadtraums, den »Verlockungen des Terrains« folgend, wie Guy Debord sie beschrieben hat.
(19 Bilder)
Florian Neuners jahrelange literarische Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet – mit der gegenwärtigen Topographie, aber auch mit der Geschichte dieses exemplarischen Stadtraums der Moderne – liegt nun gebündelt in dem Band Ruhrtext. Eine Revierlektüre vor, einem Geflechtaus Texten, das strukturell dem Erscheinungsbild dieser polyzentralen „Collage City“ entspricht. Das Rückgrat des Projekts Ruhrtext bilden exzessive Expeditionen durch Stadtlandschaftenzwischen Kamp-Lintfort und Hagen-Eilpe, angeregt von den urbanistischen Theorien der Situationisten, die sich mit ihren Dérive- Experimenten um eine subjektive Aneignung der von Verkehrs- und Stadtplanung gezeichneten modernen Stadt bemühten. Liesl Ujvary schreibt: „In einem Gestus teilnehmender Beobachtung durchstreift Neuner die Straßenzüge, Kneipen und Bibliotheken der Region und bietet uns ein sprachlich exaktes und detailliertes Abbild der Wirklichkeit, wie sie sich ihm darbietet. Seine Schilderungen sind durchaus auch gefühlvoll und mit gesellschaftskritischen Zwischenrufen versehen, ohne je ideologisch zu erstarren.“
Florian Neuner, 1972 in Wels (Oberösterreich) geboren, lebt als Schriftsteller und Journalist in Berlin. Seit 2007 gibt er die Zeitschrift Idiome. Hefte für Neue Prosa heraus, die nach den Möglichkeiten einer zeitgenössischen Prosa als Sprachkunst jenseits des marktgängigen Erzählens fragt. 2007 hat er den Prosaband Zitat Ende (Ritter Verlag, Klagenfurt) veröffentlicht. Jüngste Auszeichnungen: Förderpreis zum Heimrad Bäcker Preis 2009, Adalbert Stifter Stipendium 2009, Alfred Döblin Stipendium 2010. Gemeinsam mit Thomas Ernst hat er zwei Anthologien zur Literatur des Ruhrgebeits herausgegeben: Europa erlesen: Ruhrgebiet (Wieser Verlag, Klagenfurt 2009) und Das Schwarze sind die Buchstaben. Das Ruhrgebiet in der Gegenwartsliteratur (assoverlag, Oberhausen 2010).Florian Neuner ist Teilnehmer von EMSCHERKUNST.2010, dem größten Kunstprojekt der Kulturhauptstadt, für das er Texte geschrieben hat, die sich mit den Territorien zwischen den eigentlichen Ausstellungsräumen beschäftigen. Sein Fließtext Emscherpassage, wird Ende August im Katalog der EMSCHERKUNST.2010, im Hatje Cantz Verlag, Ostfildern erscheinen. Eine gekürzte Fassung liegt im Kurzführer zur Ausstellung bereits vor.
Frauenbilder in der Fotografie
Vortrag von Anna Zika am 24. September 2010
Anhand ausgewählter zeitgenössischer Positionen aus dem deutschsprachigen Raum wurde erörtert, welche Frauenbilder Fotografinnen vermitteln, generieren oder karikieren - bildnerische Arbeiten zwischen Vision und Projektion.
Was erzählen Mode- und Frauenbilder von Sehnsüchten und der gesellschaftlichen Wirklichkeit?
Kurzvita: Prof. Dr. Anna Zika, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Neueren Deutschen Literaturgeschichte in Aachen (M.A. 1995), Promotion Uni Wuppertal 2001, Prof. f.Theorie der Gestaltung FH Bielefeld seit 2001; Vorträge und Texte zur neueren Kunst- und Kulturgeschichte; Publikationen (Auswahl); Geist und Gefühl. Der Wörlitzer Park zwischen Aufklärung und Empfindamkeit, Weimar 1998; Hg. von The Moving Image, Weimar 2004; Ist alles eitel? Modejournale zwischen Aufklärung und Zerstreuung, Weimar 2006; Hg. (zus. mit Adelheid Rasche) STYL. Das Berliner Modemagazin der frühen 1920er Jahre, Stuttgart 2009.
Filmvortrag Gabriele Voss /19. November 2010
Gabriele Voss gab in dem interessanten Vortrag Einblicke in ihre Schnittarbeit und auch die anderer Cutter/Editoren. Dabei ging es hier nicht um Schnitt-Techniken als Handwerk, sondern um "... die Montageidee, den Subtext, die Sicht auf die Dinge,...die Wahrnehmungskonzeptionen, ... alles, was der Gestaltung vorausgeht und ihr zugrunde liegt".
"Entscheidend ist am Ende, was zwischen den Bildern und Tönen beim Zuschauer entsteht."
Gezeigt wurden Ausschnitte aus Schnitte in Raum und Zeit, Die Champions und EMSCHER-SKIZZEN.
Im Anschluss gab es bei Essen und Trinken Gelegenheit zum persönlichen Austausch.
"Montage – meine schöne Sorge" heißt ein Text, den J.-L.Godard für die Cahiers du Cinéma 1956 geschrieben hat. Aus dem kleinen, aber epochalen Text (in dem die Inszenierung mit dem Blick und die Montage mit dem Herzschlag assoziiert wird) werden wir am 19. November etwas vorlesen.
Es ist unsere Hommage für Godard, der am 3. Dezember 80 Jahre alt wird. Und in dem Gabriele Voss nun den Titel Godards für ihren Vortrag verwendet, bezeugt sie auch ihre Wertschätzung.
Darüber hinaus finden sich in den Reflexionen Godards Bezugspunkte für ihre eigenen Gedanken zur Montage.
Gabriele Voss wird uns ihr Buch Schnitte in Raum und Zeit – Notizen und Gespräche zu Filmmontage und Dramaturgie (gerade in der 2. Auflage erschienen) vorstellen und aus ihrem gleichnamigen Film
Ausschnitte zeigen. So werden uns die Möglichkeiten, Gemeinsamkeiten und Differenzen der beiden Medien (Buch und Film) vor Augen und Ohren geführt. Und wir werden nachvollziehen können, was
Gabriele Voss über die Montage sagt: "Filmschnitt findet meist im Verborgenen statt. Zehn Einstellungen bieten mehr als drei Millionen Möglichkeiten der Kombination. Beim Dokumentarfilm
wird die Erzählstruktur oftmals erst am Schneidetisch gefunden. Es geht um Rhythmus, kompositorisches Denken, um den sensiblen Umgang mit Raum und Zeit, aber auch Körper und Sprache... Am Ende
der Arbeit steht ein fertiger Film – das Resultat einer konzentrierten Arbeit über Wochen und Monate hinweg. Montage ist der zentrale Prozess, in dem letztlich über alle Elemente eines Films
entschieden wird."
(aus dem Einführungstext - Atelierhaus Alte Schule)
Kurzvita: Gabriele Voss
(Jg.1948) Promotion über Wahrnehmungstheorie und Ästhetik. Seit 1972 Filmarbeit für Kino und Fernsehen, überwiegend in Zusammenarbeit mit Christoph Hübner. Arbeitsschwerpunkte: Buch, Dramaturgie,
Montage.
Auszeichnungen u.a.: Adolf Grimme Preis 1980, Special Award FFA Paris 1990, Kunstpreis der Stadt Witten, Verdienstorden des Landes NRW.
Filme (zusammen mit Christoph Hübner):
1978 Lebens-Geschichte des Bergarbeiters Alfons S.
16 mm, s/w, 8 Teile, gesamt 256 Min.
1979-83 PROSPER-EBEL / CHRONIK EINER ZECHE UND
IHRER SIEDLUNG:
1981 Frauen-Leben (zus. mit Christa Donner)
16 mm, s/w, 45 Min.
1981 Die Einwanderer
16 mm, s/w, 82 Min.
1983 Inmitten von Deutschland
16 mm, s/w und Farbe, 82 Min. & 11o Min.
1989 Ilse Kibgis, Gelsenkirchen, Gedichte
16 mm, Farbe, 30 Min.
1988/89 Vincent van Gogh - Der Weg nach Courrières
35 mm, Farbe, 91 Min.
1993/94 Anna Zeit Land
16 mm, Farbe, 101 Min.
1994/95 Dokumentarisch arbeiten
6 Folgen à 60 Min, Beta SP, Farbe & s/w,.
1997/98 Dokumentarisch arbeiten II
3 Folgen à 60 Min. Beta SP, Farbe & s/w,
1995-98 PROSPER-EBEL/CHRONIK EINER ZECHE UND
IHRER SIEDLUNG II:
1998 Das Alte und das Neue, Beta SP, Farbe & s/w, 83 Min.
1998 Binary File 692, Beta SP, Farbe, 4’30 Min.
2000 Dokumentarisch arbeiten III
3 Folgen à 60 Min., Beta SP, Farbe & s/w,
2000 Wagner // Bilder
experimentelle Doppelprojektion mit Live-Orchester,
Beta SP, Farbe, 72 Min.
1998-2003 Die Champions
Dokumentarfilm über junge Fußballer bei Borussia Dortmund,
35mm, Farbe, 124 Min.
2004/05 Dokumentarisch arbeiten IV
3 Folgen à 60 Min. Beta SP, Farbe & s/w
2005 Schnitte in Raum und Zeit
Film zum gleichnamigen Buch, Beta SP, Farbe, 74 Min.
2006 Thomas Harlan / Wandersplitter
Dokumentarfilm, Beta SP, Farbe, 96 Min.
2009 HalbZeit
Dokumentarfilm, 35mm, Farbe, 100 Min.
(Fortsetzung des Films DIE CHAMPIONS)
2006-2010 EMSCHER-SKIZZEN
40 Kurzfilme zwischen 2 Min. und 30 Min., Farbe
In der Installation "Eingedeckt" - einer festlichen Tischinszenierung - wird durch die Verwendung und Bearbeitung der Gegenstände und Materialien Vertrautes fremd.
Candia Neumann bietet einen sinnlichen Zugang zur Reflexion gesellschaftlicher und kultureller Rituale. Ihre Ideen kommen meist aus dem profanen Alltag. Sie bestimmen die
Wahl von Material und Medium. Dazu sagt sie selbst:" Die Idee bestimmt die Mittel der Umsetzung. Allerdings gibt das Material oft den Impuls für die Idee".
Die Veranstaltungsreihe Potentiale will Menschen aus unterschiedlichsten Metiers mit ihrer Arbeit, ihren Ideen, mit Blick auf weiterführendes Engagement hier im Atelierhaus
bekannt machen.
Es sind Künstlerinnen und Künstler, Dichter und Schriftsteller, Architekten und Stadtplaner sowie Filmer. Allen ist gemeinsam, dass sie quasi vor der Tür, im Ruhrgebiet, leben und auch bereits
zum Atelierhaus - Alte Schule - gravitieren, d.h. ihr Interesse zeigen an dem, was hier bereits geschieht.
Innerhalb dieser Veranstaltungsreihe werden auch sukzessive Examensarbeiten von künftigen Kunstpädagogen ausgestellt, die für sich erhoffen, neben der Lehrtätigkeit auch ihre eigene künstlerische
Arbeit weiter zu verfolgen.
Atelierhaus -Alte Schule
Äbtissinsteig 6, 45276 Essen-Steele
Tel.+Fax 0201/515592
E-Mail doris.schoettler-boll@atelierhaus-essen.de
www.atelierhaus-essen.de
KUNSTRAUM - ALTE SCHULE - e.V.
Wir danken dem Kulturbüro der Stadt Essen und den Freunden des Atelierhauses für die freundliche Unterstützung dieser Veranstaltungsreihe